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„Eine der größten Aktionen des Jahres“

Jugendfahrradwallfahrt des BDKJ Rhön-Grabfeld nach Vierzehnheiligen zieht jährlich über 100 junge Menschen und Familien an – Johannes Reichert initiierte erste Wallfahrt mit 14 Jahren – „Kirche auf eine andere Art und Weise erleben“

Herbstadt/Bad Neustadt (POW) Mehr als 100 Kinder, Jugendliche und Erwachsene fahren jedes Jahr am Freitag und Samstag nach Fronleichnam mit dem Fahrrad die 60 Kilometer lange Strecke von Herbstadt nach Vierzehnheiligen. Die Jugendfahrradwallfahrt des Bunds der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) Rhön-Grabfeld ist ein fester Bestandteil des Jahresprogramms. „Die Wallfahrt hat einen hohen Stellenwert. Sie ist eine der größten Aktionen des Jahres“, sagt Florian Drott, Mitglied im BDKJ-Regionalvorstand und im Organisationsteam der Radwallfahrt. Doch die Idee dazu hatte ursprünglich ein damals 14-jähriger Junge aus Herbstadt. Heute ist Johannes Reichert 30 Jahre alt, lebt in Ulm – und kommt trotzdem jedes Jahr wieder zu „seiner“ Wallfahrt nach Herbstadt zurück. „Es ist jedes Jahr ein Gefühl zwischen Gänsehaut und Tränen, wenn man es geschafft hat“, beschreibt er.

In diesem Jahr stand die Jugendfahrradwallfahrt unter dem Motto „Vernetzt“. Die einzelnen Stationen beschäftigten sich zum Beispiel mit den Löchern in den Netzen, durch die Menschen fallen können, oder sozialen Netzwerken wie Facebook, sagt Drott. „Auch die Wallfahrer bilden ein Netzwerk, in dem alle Teile wichtig sind.“ Vorherige Wallfahrten standen beispielsweise unter dem Motto „Simplify your Life“, „Tour de(r) Hoffnung“ oder „Nothelfer – Helfer in der Not“. Die Themen kämen aus dem alltäglichen Leben, sagt Drott. Die Impulse und Denkanstöße zeigten, wie Kirche in das Leben mit hineinspielen könne. „Wir erreichen damit auch junge Menschen außerhalb der Kirche. Es ist definitiv eine Art, mit Gott in Kontakt zu treten und Kirche auf eine andere Art und Weise zu erleben.“

Initiiert wurde die Jugendfahrradwallfahrt von Johannes Reichert. „Die erste Fahrradwallfahrt 2002 nach Vierzehnheiligen entstand aus einem Versprechen.“ Als seine Großmutter im Sterben lag, habe er darum gebeten, dass sie nicht leiden müsse. Dafür versprach der damals 14-Jährige, eine Wallfahrt für Jugendliche nach Vierzehnheiligen zu organisieren. „Mein Vater ist immer bei der Männerwallfahrt von Bad Königshofen nach Vierzehnheiligen mitgelaufen, und wir haben ihn dann mit dem Auto abgeholt. Vierzehnheiligen war für mich schon immer ein besonderer Ort“, sagt Reichert. Sein Wunsch wurde erhört, die Großmutter konnte einschlafen. Und Reichert machte sich an die Riesenaufgabe, aus dem Nichts eine Wallfahrt zu organisieren.

Es sollte eine Fahrradwallfahrt sein, so viel war klar. „Als Kind schafft man die Männerwallfahrt nicht“, sagt Reichert. Aber sein Vater sei die Strecke mit ihm einmal mit dem Fahrrad gefahren. „Ich wusste also, dass es mit dem Fahrrad geht.“ Ursprünglich habe er den gesamten Altlandkreis Bad Königshofen mit insgesamt 23 Gemeinden mobilisieren wollen. Bei der Regionalstelle der Kirchlichen Jugendarbeit (kja) in Bad Neustadt sei er mit dieser Idee jedoch „gnadenlos abgeblitzt“. Im Nachhinein habe er die Absage aber verstanden, denn in jenem Jahr habe es bereits eine Großwallfahrt nach Würzburg gegeben.

Aber wie organisiert man eine Radwallfahrt? „Zuerst musste ich die Wegstrecke abstecken, Genehmigungen einholen, dazwischen Werbung für die Wallfahrt machen, Andachten für unterwegs und den Wallfahrtsgottesdienst vorbereiten, Liedzettel kopieren, Gebete vorbereiten, ein Begleitfahrzeug organisieren…“, zählt Reichert auf. Dabei sei er aber von vielen Seiten unterstützt worden. Sein Vater sei 14 Jahre lang mit einem Transporter und Fahrradanhänger als Begleitfahrzeug mitgefahren. „Ob Gepäck, Getränke, Pannendienst oder Reifenwechsel, er war Mädchen für alles.“ Heinz Deuerling aus Bad Königshofen, der selbst eine dreitägige Rad- und Fußwallfahrt für Jugendliche organisiert hatte, habe ihm viele Tipps gegeben. Auch der damalige Ortspfarrer Friedrich Groß habe ihn unterstützt. Die Hendunger Oberministrantin René Schleicher war ebenfalls von der Idee angetan und unterstützte ihn tatkräftig bei den Vorbereitungen. Schließlich konnte die Wallfahrt in Vierzehnheiligen angemeldet werden. „Eine Mitarbeiterin dort kann sich heute noch daran erinnern, wie ein 14-Jähriger anrief und eine Wallfahrt anmeldete“, erzählt Reichert.

Dann kam der große Tag. Rund 40 Teilnehmer aus Herbstadt und Hendungen, im Schnitt 14 Jahre alt, starteten am Freitag nach Fronleichnam um 7 Uhr morgens an der Kirche in Herbstadt. „Das Wetter war perfekt“, erinnert sich Reichert. „Von der Pfarrgemeinde hatten wir Lautsprecher, Fahnen und das Kreuz ausgeliehen. Wir hatten Gitarren- und Flötenspieler dabei und haben ausschließlich Neue Geistliche Lieder gesungen. Es sollten nicht die üblichen Lieder aus dem Sonntagsgottesdienst sein.“ Bei Familie Keller in Reundorf durften die Wallfahrer ihre Fahrräder abstellen und gingen die letzten Kilometer gemeinsam zu Fuß. Eine Bläsergruppe des Musikvereins Herbstadt spielte zum Einzug – und sorgte damit unfreiwillig für helle Aufregung in Vierzehnheiligen. „Die Schwestern wunderten sich, wie man auf Fahrrädern Musik machen könnte. Sie dachten zuerst, nun käme eine nicht angemeldete Wallfahrt.“ Die Ankunft in Vierzehnheiligen habe für alle Strapazen entschädigt. „Es ist jedes Jahr ein schönes Erlebnis, in dieser gigantischen Kirche anzukommen“, sagt Reichert.

Seit damals ist die Wallfahrt stetig gewachsen. In den vergangenen Jahren waren immer um die 100 Teilnehmer dabei. „Unser Rekord liegt bei 140 Radwallfahrern, der Zug hatte eine Länge von fast einem Kilometer“, sagt Reichert. Wenn man alle Fahrleistungen zusammenzählt, haben die Radwallfahrer mittlerweile zweimal den Äquator umrundet, hat er ausgerechnet. Immer wieder kommt es zu besonderen Begegnungen. „Vor zwei Jahren war es über 30 Grad heiß. Da haben uns wildfremde Menschen am Straßenrand mit einem Wasserschlauch abgespritzt und Kinder haben Getränke verschenkt“, erzählt Reichert. Die Wallfahrt brachte ihm auch privat Glück. „Ich habe hier meine Partnerin kennen gelernt.“

Seit 2004 liegt die Organisation beim BDKJ-Regionalverband Rhön-Grabfeld. „Nun steht ein ganzes Team dahinter.“ Reichert selbst fuhr bis 2015 als Wallfahrtsführer mit, obwohl er schon seit 2006 in Ulm wohnt. Zum Abschluss der 2015er-Wallfahrt übergab er diese Aufgabe an Samuel Balling. „Er war früher Ministrant in Hendungen und war von Anfang an dabei. Er war mein Wunschkandidat.“

Für Reichert ist die Radwallfahrt immer noch ein besonderes Erlebnis und ein fester Punkt im Jahresplan. Viele der Teilnehmer kenne er von früher, aber es seien jedes Jahr auch viele neue Gesichter dabei. „Ich finde es schön, dass wir damit viele verschiedene Jugendliche erreichen. Viele wären sicherlich nicht in einen Gottesdienst gegangen. Es ist eine Form, den Glauben zu leben, die für mich dem Alltag am nächsten ist. Man ist in der Gemeinschaft unterwegs, ist sportlich aktiv, aber es ist auch Zeit zum Quatschen. Ich glaube, das ist es auch, was viele Menschen anspricht. Eine Wallfahrt ist wie das Leben – das Aufbrechen, das Unterwegssein, die Anstrengung und schließlich die Freude und das Ankommen.“

sti (POW)

(3317/0863; E-Mail voraus)

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