Der Mai ist da und auch in diesem Jahr werden – zumindest in den katholischen Gegenden - wieder Marienstatuen geschmückt und Marienlieder gesungen. Und auch so manche Maiandacht erlebt nach den Corona-Jahren ihr Revival – Blasmusik und Bratwurst inklusive.
Die Gottesmutter ist – so scheint es - nicht totzukriegen. Trotz aller Witze über die Jungfrauengeburt und manch süßlichem Devotialienkitsch berufen sich konservative und progressive Christinnen und Christen auf sie und begeistern sich Jahr für Jahr alte und junge Marienverehrer – ganz unabhängig davon, ob sie katholisch sind oder nicht.
Was ist das Geheimnis dieser Frau? Warum fühlen sich selbst viele kritische und rationale Menschen Maria verbunden?
Es scheint, dass diese Frau eine ganz tiefe und existentielle Ebene in uns anspricht – jenseits aller Bilder und Vorstellungen, die wir uns von ihr machen. Maria von Nazaret mag eine einfache Frau gewesen sein. Selbst in der Bibel spielt sie bei genauer Betrachtung nur eine Nebenrolle. Als Mutter Jesu aber eine um so wichtigere. Und jeder, der eigene Kinder hat, weiß um das Wunder des Lebens, das sich im Moment der Geburt vollzieht. Maria ist so etwas wie das Urbild einer Mutter. Sie kennt den Schmerz und die Freude aus eigenem Erleben und weiß, was es bedeutet, Kinder zu Welt zu bringen und sie beim Erwachsenwerden zu begleiten. Und wird damit zu einer Identifikationsfigur, mit der viele Menschen weit mehr anfangen können als mit einem abstrakten Gott Vater, einem fernen Weltenherrscher Jesus Christus oder einem flüchtigen Heiligen Geist.
Ohne Maria also kein Weihnachten, ohne Maria kein Jesus von Nazareth, ohne Maria keine Menschwerdung Gottes. Maria wurde deswegen im Lauf der Geschichte auch Mutter Gottes genannt. Ein ungeheuerlicher, aber auch faszinierender Gedanke: Ein Mensch bringt Gott zur Welt! Und was für Maria von Nazaret gilt, das gilt letztendlich auch für uns: Wenn wir uns ernsthaft als Ebenbild Gottes begreifen, dann haben auch wir Anteil an Gottes Schöpfungswerk. Und aufgepasst: Das gilt nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer! Es ist unser aller Aufgabe, Gott zur Welt zu bringen. Wie soll das gehen? Ganz einfach: Menschen bringen Gott zur Welt, wenn sie Liebe leben, Mitgefühl zulassen und Leben weitergeben. Sie bringen Gott zur Welt, wenn sie sich engagieren gegen Diskriminierung und Ausgrenzung und für eine offene und tolerante Gesellschaft. Sie bringen Gott zu Welt, wenn sie aktiv werden für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen und sich dafür einsetzen, dass auch unsere Enkel und Urenkel eine lebenswerte Umwelt vorfinden. Ein ungewohnter, ja vielleicht unbequemer Gedanke, der uns aber vor allzu zu großer Verklärung der Gottesmutter bewahrt. Und der dieser Frau ein höchst aktuelles und auch politisches Gesicht gibt. Auch wenn es sich vielleicht beim ersten Lesen vielleicht etwas blasphemisch anhört: Der Mai ist eine gute Gelegenheit, unser Mutter-Gottes-Sein zu entdecken und Gott immer wieder neu zur Welt kommen zu lassen – im Kleinen wie im Großen. Gott lädt uns ein, gemeinsam seine Idee von dieser Welt Wirklichkeit werden zu lassen.
Jens Hausdörfer
Geistlicher Begleiter Haus Volkersberg