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Herausforderungen wie sonst in der Großstadt

Die Pfarrei Wildflecken ist die geographisch höchstgelegene im Bistum Würzburg – Raues Klima und sehr aktive Ehrenamtliche – Firmvorbereitung stark erlebnispädagogisch geprägt

Wildflecken (POW) Hier Pfarrer zu sein ist das Höchste, was es im Bistum Würzburg geben kann – zumindest geographisch: Die Pfarrei Sankt Josef der Bräutigam in Wildflecken ist laut der Zentralen Datenbank der Diözese Würzburg mit 516 Meter über Normalnull die höchstgelegene. Insbesondere, wenn man die Zugehörung Oberwildflecken noch hinzunimmt, die sich auf 620 Metern Höhe und damit in jeglicher Hinsicht noch näher am 928 Meter hohen Kreuzberg befindet, dem heiligen Berg der Franken. Beide sind Teil der Pfarreiengemeinschaft „Oberer Sinngrund, Wildflecken“ mit insgesamt über 2500 Katholiken. Davon leben 906 in Wildflecken und 202 in Oberwildflecken.

„Das Besondere an dieser Pfarrei ist: Sie ist ländlich, hat aber mit Herausforderungen zu kämpfen, wie sie eigentlich eher für manche Großstadt typisch sind“, sagt Pfarrer Dr. Florian Judmann: Einer hohen Arbeitslosigkeit, Drogensucht und Jugendkriminalität zum Beispiel. Deutlich über dem bayerischen Durchschnitt liegt der Anteil derer, die auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind. Ebenfalls untypisch für eine ländliche Gemeinde ist die hohe Fluktuation innerhalb der Einwohner. Sehr viele Bürger ziehen pro Jahr neu zu, etwa genauso viele verlassen gleichzeitig die Gemeinde. „Eine gewachsene Struktur wie sie der Nachbarort Oberbach kennt haben wir hier nicht. Nur etwa 200 Wildfleckener haben auch hier im Ort ihre Wurzeln“, berichtet Pfarrer Judmann.

Das hat mehrere Gründe: Nach dem Krieg kamen zahlreiche Flüchtlinge nach Wildflecken. 1951 entstand die Gemeinde Neuwildflecken. „Dort und in Altwildflecken gab es über viele Jahre hinweg eigene Ministrantengruppen, die lange nichts miteinander zu tun hatten“, berichtet Susanne Raab. Sie ist Pfarrgemeinderatsvorsitzende, Organistin und Leiterin des kirchlichen Kindergartens. 1994 endete mit dem Abzug der letzten amerikanischen Soldaten die wirtschaftliche Blütezeit, die 1937 mit dem Errichten des Truppenübungsplatzes und Unterkünften für 10.000 Soldaten und 1500 Pferde begonnen hatte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzte die zahlungskräftige US-Armee den Standort weiter. Die Schwerspatgrube am Auersberg wurde bereits im Jahr 1971 geschlossen. Nach dem Abzug der US-Streitkräfte suchten viele Einwohner anderswo neue Arbeit und zogen weg. Ab 1988 kamen viele Spätaussiedler, die zunächst in einem Übergangswohnheim wohnten und später – vor allem in Oberwildflecken – sesshaft wurden. Auch heute ziehen viele Menschen in den Rhönort: „Der Wohnraum hier ist günstig“, erklärt Raab.

Die heutige Pfarrkirche in Altwildflecken war ursprünglich ein Kapellchen und wurde 1716/17 errichtet.  1929/30 wurde der Bau um das jetzige Langhaus erweitert. Bischof Matthias Ehrenfried weihte das Gotteshaus am 12. Oktober 1930 ein. Die Pfarrei Wildflecken wurde erst nach dem Krieg errichtet. „Pfarrer Otto Denk, der von 1941 bis 1977 hier Seelsorger war, hat das Pfarrhaus selbst mit gebaut. Es gibt Fotos von ihm, die ihn in Soutane auf der Baustelle beim Arbeiten zeigen“, berichtet Pfarrer Judmann. Das Kirchenzentrum in Neuwildflecken wurde 1977 gebaut und hat neben einer Kapelle auch zwei Mehrzweckräume für die Pfarrei. In Oberwildflecken wird derzeit nach dem Abriss der alten und viel zu großen Kirche jetzt eine neue, kleinere Kapelle gebaut. Die Gottesdienste finden dort vorübergehend in einem Wohngebäude nebenan statt. „Der Abriss war für einige aus Oberwildflecken schwer, weil sie mit dieser Kirche viele persönliche Erinnerungnen an Feiern wie Erstkommunion oder Hochzeit verbinden. Durch den Neubau haben aber viele mit der Situation ihren Frieden geschlossen, erklärt Pfarrer Judmann.

Zwischen 1978 und 1988 führte Pfarrer Waldemar Kilb gemeinsam mit vielen Ehrenamtlichen zahlreiche Neuerungen ein: Mädchen und Frauen durften als Ministrantinnen, Lektorinnen und Kommunionhelferinnen aktiv werden. Es gab regelmäßig ökumenische Gottesdienste. „In dieser Zeit war die Jugendarbeit besonders rege. Franz Leipold und Jürgen Schwarz haben damals ihre Berufung zum Priester gefunden“, sagt Raab. Zwischen 1992 und 2008 habe die Pfarrei eine Art Blütezeit erlebt: In der Pfarreiengemeinschaft waren damals ein Pfarrer, ein Diakon, ein Pastoralreferent, eine Gemeindereferentin und drei Missionshelferinnen aktiv. Letztere wohnten im Pfarrhaus von Wildflecken und kümmerten sich von dort aus unter anderem um die Integration der Spätaussiedler oder den  Krankenbesuchsdienst. Außerdem sammelten in dieser Zeit etwa 30 junge Frauen und Männer bei Praktika erste Erfahrungen in der Seelsorge. „In dieser Zeit haben uns viele andere Pfarreien für unsere vielfältige Pastoral bewundert.“

Heute besteht das Pastoralteam aus dem Pfarrer und Diakon Donald Löw. „Angesichts der vielfältigen Probleme, die wir vor Ort haben, haben viele Menschen ein subjektives Gefühl des Verfalls, auch was das kirchliche Leben angeht“, berichtet Judmann. Dabei seien insbesondere die Ehrenamtlichen noch weiterhin sehr aktiv, auch wenn die Last mehrheitlich auf wenige verteilt sei: Da gibt es zum Beispiel eine ökumenische Kindergottesdienstgruppe, eine Eine-Welt-Gruppe, ein Familiengottesdienstteam, Besuchsdienste, eine Strickstube, einen Seniorenkreis, eine liturgische Tanzgruppe, musikalische Gruppen und Solisten, Ministranten, Gottesdienstbeauftrage, die über das Jahr hinweg und im Urlaub des Pfarrers an Sonn- und Werktagen Wort-Gottes-Feiern gestalten und viele fleißige Hände, die sich sonst noch engagieren, wo Not am Mann ist. „Ich bin dankbar dafür, dass sich erst kürzlich wieder junge Leute gefunden haben, die Ministrantenstunden leiten oder als Küster aushelfen.“

Das hängt auch vielleicht mit dem erlebnispädagogisch geprägten Ansatz des Firmkonzepts zusammen, das Pfarrer Judmann in der Pfarreiengemeinschaft eingeführt hat: Auf dem Weg zum und auf dem Volkersberg lernen die jungen Leute ganz praktisch, was es heißt, die Talente einzubringen, Gemeinschaft zu sein und sich – mit dem Heiligen Geist – gemeinsam auf den Weg zu machen. Und in der Praxis sieht das dann so aus: „Wenn es bei einem ‚Erlebnis' nicht gelingt, die Salami für die Pizza zu ergattern, dann gibt es eben nur Pizza Margherita“, erklärt der Pfarrer.

Um noch einmal auf die besondere Lage Wildfleckens zurückzukommen: Dass die Höhe des Ortes auch eine gewisse Rauheit des Klimas mit sich bringt, hat Judmann selbst schon mehrfach erlebt: „70 Zentimeter Schnee im Pfarrgarten oder Schneefall am Karsamstag, das habe ich alles schon gehabt.“ Oder wie es einer seiner Vorgänger einst in die Pfarrakten schrieb: „Letzter Tag zum Heizen: der Tag vor Johanni. Erster Tag zum Heizen: der Tag nach Johanni.“

mh (POW)

(4015/0920; E-Mail voraus)

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