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In Deutschland wird ohne Tanz gepredigt

Der 36-jährige Roland Techou aus Benin ist einer von 91 Priestern, die im Bistum Würzburg Urlaubsvertretung leisten – „Ich lerne etwas Neues für mein Leben“

Oberleichtersbach (POW) Deutschland hat Roland Techou nach mehr als acht Monaten Deutschkurs in Dingden am Niederrhein schon gekannt. „Der Kreuzberg hat mich dann aber doch überrascht: Ein Kloster mit eigener Brauerei – das gibt es im Benin nicht.“ Der 36-jährige Priester aus Westafrika beginnt im Herbst sein Promotionsstudium an der Universität in Trier, das er 2018 mit dem Doktortitel in Philosophie abschließen möchte. Den August über ist er als Urlaubsvertreter für Pfarrer Armin Haas in der Pfarreiengemeinschaft „Oberleichtersbach / Schondra“ in der Rhön aktiv – wie insgesamt 91 Geistliche aus 15 Ländern, die dieses Jahr in den Ferien Dienst im Bistum Würzburg leisten. Bei freier Kost und Logis erhalten die Aushilfspriester bundesweit für vier Wochen Dienst 600 Euro.

Techou kommt aus dem Erzbistum Cotonou. Als viertjüngstes Kind und einziger Sohn eines Försters und einer Händlerin wuchs er mit vier Schwestern in einem Dorf bei Cotonou auf. „Wenn wir von Dorf reden, dann kann man das aber nicht mit einem Dorf in Deutschland vergleichen. Bei uns gibt es kein Internet, keinen Strom und keine Wasserleitung im Haus.“ Ihren Lebensunterhalt bestritten die meisten seiner Landsleute als Kleinbauern mit bescheidener Schweinezucht und dem Anbau von Mais, Bohnen, Maniok und Yamswurzel. „Die Arbeit in Benin ist körperlich härter, Infrastruktur wie hier in Deutschland gibt es nicht.“

Priester wollte Techou schon von klein auf werden, weil sein Heimatpfarrer ihn als Persönlichkeit begeisterte. „Meine Großfamilie war anfangs wenig begeistert davon, als ich von meinem Berufswunsch erzählte. Der einzige Sohn kann doch unmöglich ein zölibatär lebender Priester werden. Heute sind sie aber alle stolz auf mich“, sagt Techou mit einem Schmunzeln. Kontakt zu den Seinen in Benin halte er vor allem via Internetdienst Skype.

2008 empfing er in Cotonou durch Erzbischof Marcel Honorat Léon Agboton die Priesterweihe. Danach war Techou als Spiritual sowie als Lehrer für die Fächer Religion und Philosophie in einer 2000 Schülerinnen und Schüler zählenden Realschule mit angeschlossenem Gymnasium eingesetzt. Nach dem Bischofswechsel entschied der neue Erzbischof Antoine Ganyé, den talentierten Priester nach Deutschland zu schicken, damit dieser dort über den Philosophen Karl Jaspers promoviert.

Letztlich sei es der Deutschen Bischofskonferenz zu verdanken, dass er diesen Sommer als Priester in der Rhön aktiv sei. „Uns Promotionsstipendiaten wird empfohlen, dass wir in den Semesterferien Aushilfe in einer Pfarrei leisten, um die deutsche Kirche, die Sprache und die Menschen besser kennenzulernen.“ Ein Nigerianer, den er beim Deutschkurs kennengelernt habe, habe ihm die Adresse des Bistums Würzburg vermittelt. „Ich habe mich beworben und bin zu meiner Überraschung auch gleich genommen worden.“

Vom Gemeindeleben, wie er es in den vergangenen Wochen kennengelernt hat, ist der Afrikaner sehr angetan. „Der Glaube ist hier sehr vital. Wenn ich in einem Ort am Sonntag Messe feiere, ist auch die nächste Werktagsmesse dort gut besucht.“ Meist seien es Senioren, die zum Gottesdienst kommen, aber es sei auch immer eine Schar Ministranten anwesend. „Wer in die Kirche geht, macht das in jedem Fall aus Überzeugung.“ In seiner Heimat sei das etwas anders.

Gut ein Drittel der Bevölkerung seien Katholiken, weitere 30 Prozent gehörten anderen christlichen Konfessionen an, der Rest praktiziere Naturreligionen. „Wobei das nicht heißt, dass diese nicht auch einmal zu einem Gottesdienst in die katholische Kirche kommen.“ Vor allem die Segensgebete für Kranke, die nach jeder Eucharistiefeier stattfinden, fänden regen Zulauf. Insgesamt 191 Diözesan- und 65 Ordenspriester betreuen die rund 700.000 Katholiken in 63 Pfarreien. „Viele Geistliche leiten Krankenhäuser, Schulen oder befinden sich wie ich zum Studium im Ausland.“ Sein Erzbischof fördere diese Aufenthalte, weil er unterschiedliche Einflüsse in seinem Bistum sammeln wolle.

„Eines muss ich auch sagen: Beim Vorbereitungskurs im Bistum Münster im vergangenen Jahr wurde uns Afrikanern gesagt: Die Deutschen sind etwas reserviert und kühl von ihrer Art. Ich mache hier ganz gegenteilige Erfahrungen“, sagt der Priester aus Benin. Die Rhöner seien äußerst herzlich, offen, spontan und gingen auf ihn zu. Wahrscheinlich auch deswegen spricht Techou schon derartig flüssig Deutsch. „Beim Predigen halte ich mich aber zurück, weil ich noch nicht so frei reden kann.“ Bei ihm zuhause dauere eine Predigt mindestens 30 Minuten. „Wenn sie kürzer ausfällt, heißt es: ‚Ihm ist wohl nichts eingefallen oder er ist krank‘“. Und ein bisschen Tanzen gehöre auch zu einer guten afrikanischen Predigt, sagt Techou mit einem Grinsen.

Zu den kulturellen Unterschieden, die ihm ansonsten aufgefallen sind, zählt er die deutsche Geschäftigkeit. „In meiner Heimat arbeiten wir, weil wir etwas brauchen. Die Menschen in Deutschland arbeiten dauernd, auch wenn sie alles haben.“ Auch im Gemeindeleben seien die Laien in Deutschland sehr aktiv und brächten sich ein. Er schätze das, weil in Benin der Priester ständig dafür sorgen müsse, dass die Dinge laufen.

Bei Küsterin Mechthild Keßler, in deren Haus Techou für die Dauer seines Aufenthalts wohnt, fühlt er sich bestens aufgehoben, hat Familienanschluss und wird großzügig bekocht. Am liebsten esse er Kartoffeln. „Ich vermisse höchstens die Schärfe des heimatlichen Essens.“ Aber auch das verbucht der Priester, der in seiner Freizeit gerne liest und joggt, unter seine Maxime: „Ich lerne etwas Neues für mein Leben.“

mh (POW)

(3514/0816; E-Mail voraus)

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